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Die Idee, Anna Roth zu sein ist GESTERN - Kalmaris ist HEUTE |
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Leseprobe 1 “Operation Zeitensprung” (Anfang) |
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Mittendrin Selbst die nettesten Gastgeber aus einer Zukunft, die nun vielleicht unsere Gegenwart würde, strengen irgendwann an. Ich hatte den ganzen Tag lang unsere Abenteuer in drei verschiedenen Jahrhunderten geschildert, war total erschöpft, wollte einfach nur meine Ruhe, nichts mehr erzählen und nichts mehr hören. Also verzichtete ich auf das Abendbrot, zog mich ins Zimmer zurück, legte meine Sachen ordentlich auf einen Stuhl, damit jeder sehen konnte, ich möchte nicht mehr angesprochen werden und schloss auf dem Rücken liegend die Augen. Ich weiß nicht, ob ich wirklich einschlafen wollte. So spät war es noch nicht. Aber als ich hörte, wie die Tür aufging, tat ich, als wäre ich schon längst in Träume versunken. Auf der rechten Seite senkte sich das Bett aus der Wand. Nuk, wer sollte es sonst sein, zog sich leise aus, legte sich hin und atmete betont gleichmäßig. Ich fühlte es körperlich, wie sie mich erwartungsvoll ansah. Ich blinzelte und schon hatte sich mein erster Blick in ihrem verfangen. „Du bist wirklich schon über Dreißig?“ „Ja, Nuk.“ „Schade, dann kannst du nicht meine große Schwester sein, höchstens meine Mutter, wenn ich Mama nicht hätte.“ „Warum schade? Du hast doch so viele Geschwister?“ „Nein. Keine richtigen.“ Eine Pause entstand, in der wir beide die Zimmerdecke betrachteten, auf der ein heulendes Wolfsrudel auf hellgrüner Wiese voller blühender Gräser abgebildet war. Ich war mir sicher, dass dieser fürchterliche Deckenschmuck Nuks ganz persönliche Idee gewesen war. Bestimmt starrte sie oft abends beim Einschlafen nach oben und malte sich aus, ein solcher Wolf zu sein. Und da war ausgerechnet Ernst aus dem Unterholz auf sie zu gesprungen.
Die Genmücke „Deleted.“ Der Monitor flackerte nicht ein bisschen. Sonst hätte ich gedacht, das Vieh von Computer lachte mich aus. Nun hatte ich den fünften Entwurf für diesen Bettelbrief wieder verschwinden lassen. Die einzeln umformulierten Sätze gar nicht mitgezählt. Hätte ich die Briefe wirklich auf Papier geschrieben, wäre der Papierkorb längst übergequollen. Wenn die Tochter mit ihrem Vater seit sieben Jahren nur gelegentlich per Videophon kommunizierte, sollte sie aber bei ihrem ersten neuen Kontaktanlauf schon ein paar Zeilen per Hand schreiben. Und auf Briefpapier. Selbst ohne mein Psychologiestudium sollte ich das einsehen. Ich hab dich lieb, Dad. Oh doch! Mit siebzehn brachte ich solche Worte glaubhaft rüber. Und damals antwortete er wie gut programmiert, „Ich dich auch, Anna.“ Seither waren beinahe wieder siebzehn Jahre vergangen. Oh, Gott! Das Letzte, was ich ihn von mir wissen ließ, waren Kurznachrichten wie „Es geht mir gut“ und „Ich hab es geschafft.“ Da hatte ich das Diplom gemeint und dass ich die Stelle als Aspirantin erhalten hatte, beides auf einmal. Und Dad hatte nicht nach meinem Zeugnis gefragt. Von mir aus erwähnte ich es nicht. Mit dem Prädikat „Auszeichnung“ wollte ich mich nicht brüsten. Plötzlich tippte ich wie wild eine Schilderung meiner letzten Wochen in den Arbeitsspeicher. Nach vielleicht zwanzig Minuten sah ich auf, erschrak, als ich den letzten Satz über Manthey las, markierte alle bisherigen Formulierungen und überschrieb sie: „Hallo Dad! Ja, ja, du hast es schon immer besser gewusst. Wenn du mir versprichst, mir das nicht laufend aufs Butterbrot zu schmieren, dann komme ich zu dir zurück. Als deine verlorene Tochter. Und ich mache auch fast alles, was du von mir verlangst. Was ich dir zuerst alles schreiben wollte, habe ich vernichtet. Deine Anna.“ Das schrieb ich säuberlich mit einem feinen Federhalter auf geschöpftes und parfümiertes Büttenpapier ab. Die Schriftzeichen auf dem Umschlag wären allerdings bereits wieder eines Mediziners würdig gewesen. Wenn Dad nicht mehr zwischen den Zeilen lesen konnte, bliebe die Mühe um Schönschrift sowieso vergebliche Liebesmüh. Aber schon nach drei Tagen kam die Antwort: „Liebe Anna, wenn es so weit ist, wirst du mir erzählen, was dich quält. Dein Kinderzimmer habe ich bewahrt, wie du es verlassen hast, und in meinem Forschungsbereich ist eine Sekretärinnenstelle frei. Vorerst kann ich dir nicht mehr bieten. Hans-Heinrich, dein überheblicher Dad“ Ich kündigte mich nicht extra an. Gleich am nächsten Morgen fuhr ich in die verträumte Nordmetropole, die aussah wie vor den alten Kriegen. Mit einem Köfferchen in der Hand bummelte ich von dem historischen Backsteinbahnhof über den Katzensteg durch die Altstadt, vorbei am Platz der Jugend, wo die Schienen für die einstmals quietschenden Straßenbahnen in Richtung Neustadt sich ins Pflaster eingegraben hatten, bis zu den Bürgervillen am Ostdorfer See. Ich trat durch den Vorgarten an das Klopfertor. Hier hatte sich seit über zweihundert Jahre nichts verändert. Alles war alt und gepflegt. So kannte ich es aus meiner Kinderzeit. Auch die letzten sieben Jahren waren spurlos an den Häusern vorübergegangen. Ich drückte den Klopfer wie früher zweimal lang, zweimal kurz und wieder zweimal lang herunter. Mir öffnete ein bleicher, leicht gebeugter, alter Mann. Ich grüßte mühsam beherrscht mit „Hallo!“ und quälte mir ein freudiges Lächeln ins Gesicht. Meinem Vater hingen Strähnen halb gelichteten, aschgrauen Haares über Ohren und Stirn. Ein Bart kräuselte sich ungepflegt. Dad Augen waren braun wie früher, aber das vertraute Funkeln darin war nun staubig matt. Er dirigierte mich in den Salon. Wenigstens die ausladende Geste dabei hatte sich erhalten. „Anna, es tut mir Leid. Ich hätte dich nicht hierher einladen sollen.“ „Ich kann ja wieder gehen!“ Dad hatte sich noch nicht gesetzt, ich war wieder aufgesprungen. „Ich weiß nicht, in welcher Scheiße du steckst, aber ich darf dich nicht in meine hineinziehen.“ Das Wort Scheiße aus seinem Mund! Ich starrte ihn stumm an. Setzte mich wieder. Sah ein Bild aus der Erinnerung auftauchen. Ein eingefrorenes Gesicht, voll Hoffnungslosigkeit. „Du wirst deine Mutter nie wieder sehen.“ Sah mich auf ihn zugehen, ihn umarmen, hörte mich sagen: „Dann pass ich auf dich auf!“ Ich hatte es ernst gemeint mit meinen acht Jahren. Später ließ ich ihn ohne Frau allein zurück. Und jetzt hatte ich keine Ahnung von seinen Problemen. „Ich höre dir zu! Bitte erzähl!“ Dad schüttelte den Kopf. „Nein, du zuerst!“ Wie ähnlich wir uns waren. Meine Neugierde war zwar geweckt. Aber vor mir würde er garantiert nicht erzählen. „Dad, machen wir es kurz: In zwei Wochen habe ich keine Wohnung mehr. Ich bin total blank. Also selbst deine Sekretärinnenstelle ist wie ein Geschenk für mich. Ich habe keinen Lebensgefährten, bin allein, wie ich es mir bei meinem Studium nicht hätte vorstellen können. Was willst du noch hören? Warum das Ganze? Ich hab Manthey, meinem Chef, eine gelatscht, dass er in einen Aktenschrank geflogen ist. Begrapscht hat er mich, weil ich ohne BH rumgelaufen bin. Als ob das ein Grund wäre.“ „Das seh ich lebhaft vor mir. Da ist er an die Richtige geraten. Und dann?“ „Ich wollte ihn schonen, nichts an die große Glocke hängen. Aber was macht er? Er linkt mich. Jedenfalls wurde ich und nicht er in die Personalabteilung bestellt. Gegen mich läge eine Anzeige vor. Ich würde Testserien unseres Forschungsprojekts aus dem Institut schmuggeln. Manipulationsschwellen.“ Einen Moment überlegte ich, ob ich auf Dads fragenden Blick reagieren sollte. Doch dann sprach ich schnell weiter. „Kann ich dir später in Ruhe erklären. Ist erst einmal nicht so wichtig. Entscheidend war, dass mich der Werkschutz nach Hause begleitete und in meinem Schreibtisch tatsächlich Datagramme fand. Die waren weniger überrascht als ich, das kannst du mir glauben. Oh, ja, man sah von einer offiziellen Anzeige ab. Man habe ja alles zurück. Aber man empfehle mir die Auflösung des Arbeitsvertrages. Im gegenseitigen Einvernehmen, versteht sich.“ Dad sprang auf, setzte sich wieder. Nichts war da von der überlegenen Ruhe, die ich an ihm bewunderte - und hasste. „Dad, ich seh es ja ein. Es war mein Fehler. Ich dachte nur daran, dass ich mit Manthey auf keinen Fall weiter zusammen arbeiten wollte, und ich glaubte, mir stünden alle Türen offen. Meine Beurteilung war ja Spitze. Trotzdem lernte ich bald alle Floskeln einer unanfechtbaren Bewerbungsablehnung am eigenen Leibe kennen. Ich kann einfach nicht mehr.“ Als ich fertig war, saß er mir gegenüber und sagte bedächtig: „Also gut. Dann bleib erst mal hier. Wir werden schon Besseres für dich finden. Die Arbeit als Vorzimmerlöwin ist immer noch besser als gar keine. Sogar, wenn es mein Vorzimmer ist.“ „Danke, Dad. Ich werde dich schon nicht enttäuschen“, antwortete ich, um dann mit festerer Stimme fortzufahren: „So, jetzt bist du dran.“ „Lass gut sein, Anna. Ich bin müde. Wir haben Zeit. Schlaf dich erst mal aus. Ich kann dich morgen schon im Institut gebrauchen. Und dann sollten wir schnell den Umzugswagen bestellen.“ Für mich klang das nicht überzeugend. Eher so, als hätte Dad mir sowieso nichts von sich erzählen wollen. Aber das konnte an meiner manischen Psychologenskepsis liegen. Und er hatte ja Recht. Die nächsten Tage kamen bestimmt. Ich bekäme schon heraus, was ihn quälte. Als Dad mich am nächsten Morgen weckte, schien er um Jahre jünger. Er rasierte sich gründlich, bespritzte sich mit Rasierwasser und pfiff dazu einen Knifedance, den er bestimmt nicht auf Sendern für Großväter zu hören bekam. „Mach dich frisch, Mädel. Dein neuer Job hat’s in sich. Du wirst das schnell merken. Lauter Männer im passenden Alter. Da werden auch für dich welche dabei sein.“ Ich boxte ihn auf seinen linken Professorenoberarmmuskel, wie ich es als großes Kind so gern getan hatte. „Willst du mich gleich am ersten Tag verkuppeln?“ Und er reagierte wie früher: Er drückte seine rechte Hand auf den angeblichen blauen Fleck und jammerte mit schmerzverzerrtem Gesicht. „So darfst du mit den Männern bei mir aber nicht umgehen.“ Wie sich bald herausstellte, gehörten zum Forschungsbereich wirklich nur interessante Männer und attraktive Frauen im besten Alter. Es schien, als hätte keiner von ihnen außerhalb des Instituts eine feste Bindung. War das Zufall, lag eine Absicht darin oder redete ich mir das ein? Arbeiteten hier tatsächlich nur Singles? Die sich ihre Partner ausschließlich im eigenen Bereich suchten? Warum veralberte Dad meine Frage danach? „Du, ich mach dir eine Liste der gerade freien Partner, wenn du das als Chefsekretärin nicht selbst schaffst.“ ..... Leseprobe 2 ??? .....
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